Als Heilpraktiker für Psychotherapie gehöre ich dem Verband Freier Psychotherapeuten, Heilpraktiker für Psychotherapie und Psychologischer Berater (VFP) an.

Der VFP bat uns Mitglieder Anfang September eine Mail an die Spitzenkandidaten der Parteien zu schreiben, die sich in der aktuellen Wahl um ein Mandat für den Bundestag bemühen. Weiterhin lag es nahe, auch die Kandidaten anzuschreiben, die hier in Niedersachsen Landtagswahlkampf betreiben.

In der Mail des Verbandes wehren wir uns gegen die aktuellen Verunglimpfungen (insbesondere durch Vertreter des sogenannten Münsteraner Kreises) und stellen unsere Leistungen bei der psychotherapeutischen Versorgung der Bevölkerung in sachlicher und verständlicher Form dar.

Ich habe diese E-Mail an 26 Vertreterinnen und Vertreter von demokratischen Parteien geschickt. Die die AfD für mich keine denkbare Alternative ist, habe ich diese Partei auch nicht angesprochen.

Von den 26 E-Mails sind die meisten gelesen worden, einige Parteien haben um Verständnis gebeten, dass man sich vor der Bundestagswahl nicht mit dem Thema befassen könne – danach sei ich aber herzlich eingeladen, in den Dialog zu treten.

Einzig DIE GRÜNEN haben ausführlich auf meine Mail geantwortet

DIE GRÜNEN haben sich offenbar mit der Kritik des Münsteraner Kreises auseinander gesetzt und eine eigene Position gefunden.

»Die Vorschläge des Münsteraner Kreises haben wir zur Kenntnis genommen. Kritisch sehen wir hier unter anderem jene Vorschläge, die insbesondere darauf abzielen die vielfältigen Heilmethoden der Heilpraktikerschaft nur ausgebildeten Ärzten zu erlauben.«

Von einem generellen Berufsverbot spricht bei den GRÜNEN niemand.

»Auch ein alternativ gefordertes Verbot von Heilpraktikerinnen und Heilpraktikern lehnen wir ab.«

Der Patient steht im Vordergrund.

»Ziel muss es vielmehr sein Patientinnen und Patienten, unter Ausschluss einer Gesundheitsgefährdung, die von ihnen gewollten alternativen Behandlungsmethoden zu ermöglichen.«

Dieses Ziel wollen DIE GRÜNEN über eine vereinheitlichte Ausbildung erreichen. Etwas, was ich auch für richtig halte und unterstützenswert finde.

»Vor diesem Hintergrund sprechen wir uns für eine Weiterentwicklung des bestehenden Heilpraktikerrechts mit dem Ziel aus, die Anforderungen an die Tätigkeiten der Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker bundesweit zu überprüfen und zu vereinheitlichen.«

Die vielfach polemische und unfaire Kritik an den Heilpraktikern findet zumindest bei den GRÜNEN kein Gehör.

»Wir halten es für falsch, die Heilpraktikerschaft generell als Scharlatane darzustellen. Denn auch durch komplementärmedizinische Angebote können Menschen bei Beschwerden und Leiden Hilfe und Unterstützung finden.«

Das beinhaltet auch ausdrücklich meine Kolleginnen und Kollegen und mich aus der Gruppe der Heilpraktiker für Psychotherapie.

»Dies gilt auch für Heilpraktiker für Psychotherapie, die oftmals psychotherapeutische Verfahren und Methoden außerhalb der Richtlinienverfahren anbieten.«

Anstatt das breite Angebot der Heilpraktiker für Psychotherapie auf die »anerkannten« Richtlinienverfahren reduzieren zu wollen, sollen Studien über die alternativ angebotenen Methoden gefördert werden.

»Grundsätzlich sollten die Prüfungen zur Anerkennung psychotherapeutischer Verfahren außerhalb der Richtlinienverfahren zügig durchgeführt und begleitende Studien gefördert werden.«

Die Realität der alternativen Medizin wird nicht geleugnet, sondern anerkannt.

»Viele Patientinnen und Patienten in Deutschland nutzen aus den unterschiedlichsten Gründen die zahlreichen Angebote von Heilpraktikerinnen und Heilpraktikern. Die naturheilkundlichen Heilmethoden stellen damit eine Ergänzung zur wissenschaftlich belegten Schulmedizin dar.«

Und, was mich mit am meisten gefreut hat, DIE GRÜNEN möchten diskutieren, reformieren und unsere Positionen für die Zukunft sichern.

»Gemeinsam mit den Heilpraktikerverbänden sollte darüber diskutiert werden, wie man die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Heilpraktiker reformieren und so die Position der Heilpraktiker für die Zukunft festigen kann.«

Kleinere Fehler in der Stellungnahme der GRÜNEN

Leider ist auch den GRÜNEN durch Unkenntnis ein Fauxpas unterlaufen.

»Darüber hinaus halten wir es für richtig, bestimmte bei anderen Gesundheitsberufen übliche Anforderungen auch auf die Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker zu übertragen. Dazu gehören etwa Dokumentationspflichten, die Pflicht zur regelmäßigen Weiterbildung, zur Qualitätssicherung sowie zum Abschluss einer Berufshaftpflicht.«

Diese Punkte können wir meiner Ansicht nach schnell aus dem Weg räumen (ich habe den GRÜNEN auch bereits eine entsprechende Antwort geschickt), denn aus zivilrechtlichen und strafrechtlichen Vorgaben eine Vielzahl mittelbarer Berufspflichten für uns Heilpraktiker:

  • Die Schweigepflicht: Heilpraktiker sind Ihren Patienten gegenüber aufgrund einer vertraglichen Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag zivilrechtlich zur Geheimhaltung verpflichtet.

  • Patientenaufklärung und Medizinische Aufklärung: Invasive medizinische Eingriffe erfüllen den Tatbestand einer Körperverletzung; dieser ist nur aufgrund einer Einwilligung des Patienten gerechtfertigt. Eine ordnungsgemäße Einwilligung setzt voraus, dass der Patient zuvor umfassend aufgeklärt wurde. Ihm sind Wesen, Bedeutung und Tragweite der Behandlung zu schildern.

  • Wirtschaftliche Aufklärungspflicht: Aus dem Behandlungsvertrag mit unseren Patienten folgt eine Nebenpflicht: Wir haben unseren Vertragspartner über die wirtschaftlichen Folgen der Behandlung umfassend aufzuklären. Andernfalls kann sich unsere Vergütung vermindern oder ganz entfallen.

  • Sicherungsaufklärung: Die Sicherungsaufklärung gehört als therapeutische Pflicht zur ordnungsgemäßen Behandlung. Unterbleibt sie, liegt ein Behandlungsfehler vor.

  • Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht: Heilpraktiker dokumentieren zeitnah sämtliche Feststellungen über den Krankheitsverlauf eines Patienten, insbesondere die ermittelten Befunde sowie die getroffenen Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen und bewahren die Unterlagen 10 Jahre auf.

  • Fortbildungspflicht: Heilpraktiker halten ihre fachlichen Qualifikationen auf einem aktuellen Stand. Wir unterrichten uns über Fortschritte in der Heilkunde, insbesondere über neu gewonnene Erkenntnisse von Nutzen und Risiken der von uns angewendeten Heilverfahren und halten uns auf der Höhe des fachlichen Fortschritts. Andernfalls gefährden wir unsere ordnungsgemäße Berufsausübung. Es drohen Schadensersatzansprüche der Patienten, zudem können Zweifel an unserer berufliche Zuverlässigkeit geweckt werden.

Hier können Sie die komplette Antwort der GRÜNEN lesen.

Nun warte ich neugierig auf die Antworten der anderen Parteien oder deren Kandidaten.

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Jürgen Wiese

In den Neunzehnhundertneunziger Jahren habe ich an der Carl-von-Ossietzky-Universität in Oldenburg Biologie studiert. Fachliche Schwerpunkte meines Studiums waren Mikrobiologie, Genetik, Biochemie und Ökologie. Danach arbeitete ich über 20 Jahre als Designer, Konzeptioner, Projekt-, Produkt- und Risikomanager, Unternehmensentwickler und Abteilungsleiter sowohl angestellt als auch freiberuflich in und mit den (neuen) Medien. Mit Mitte 40 besann ich mich wieder auf meine Wurzeln und habe mich zum Heilpraktiker für Psychotherapie ausbilden lassen. Ich arbeite seitdem freiberuflich als Therapeut und Coach. Meine methodischen Schwerpunkte sind Lösungsorientierte Beratung, Kontemplative Therapie, Systemische Naturtherapie und Beratung in der Mikrobiologischen Therapie. Ich bin Mitglied im Verband Freier Psychotherapeuten, Heilpraktiker für Psychotherapie und Psychologischer Berater e.V. und im Arbeitskreis für Mikrobiologische Therapie e.V.

1 Comment

Heilpraktiker-Beruf abschaffen: Die AfD auf einer Höhe mit Schulmedizinern und Pharmaindustrie? - Die Unbestechlichen · 22. Juli 2018 at 6:02

[…] einem generellen Berufsverbot spricht bei den GRÜNEN niemand“, schreibt Heilpraktiker Jürgen Wiese und zitiert aus einer […]

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